Marquardt-Klavier auf Französischem Kammerton

Marquardt-Klavier stark verstimmt Marquardt auf 394 Hertz gestimmt

Falls Sie zuerst den Text lesen, bevor Sie sich die Hörbeispiele anhören, könnte man mit einer Entwarnung beginnen:

Keine Sorge, Ihr PC wird beim Abspielen des Hörbeispiels mit der starken Verstimmung keinen Schaden nehmen! Ihre Ohren auch nicht! Aber vermutlich wird sich Ihr Hörzentrum verwundern, da die Suche nach einem Muster nicht ganz einfach ist...

Sie hören ein Piano des Klavierbauers Otto Marquardt, das 1929 in Berlin gebaut worden ist. Der Unterschied der Stimmung beträgt innerhalb des Klaviers einen Ganzton. So etwas trifft man eher selten. Darüber hinaus sind zahlreiche Einzeltöne in sich stark verstimmt. Derartige Töne nennt man kritische Töne, da sie einen hörbaren Hinweis auf eine möglichen Schaden im Stimmstock geben. Mit anderen Worten: Es könnte sein, dass der hölzerne Stimmstock aufgrund zu geringer Luftfeuchtigkeit gerissen ist. Das würde bedeuten, dass die Stimmnägel keinen Halt mehr haben. Somit hätte das Klavier keine Stimmhaltung mehr. Das bedeutet, es wäre nicht mehr zu stimmen.

Es gilt also zuerst herauszufinden, ob dieser Schaden besteht, oder ob sich das Instrument noch stimmen lässt. Dazu genügt es nicht, einen Blick auf den Resonanzboden zu werfen, um beim Finden eines Risses gleich das Handtuch zu werfen. Es reicht ebenso wenig aus, mal einen Stimmnagel mit einem Drehmomentmesser zu prüfen, um dann laut der dort ablesbaren Zahl den Beweis abzuleiten, dass das Klavier nicht mehr stimmbar sei. Nein, man muss die kritischen Stimmnägel mit dem Stimmhammer manuell auf den Halt im Stimmstock prüfen - und zwar bei einer größeren Anzahl von Stimmnägeln, eben nicht nur bei einem einzelnen. Diese Handarbeit liefert einem den Grundstock für den allgemeinen Zustand des Stimmstocks. Wie bereits erwähnt ist der Zustand des hölzernen Stimmstocks entscheidend für die Stimmmhaltung, da die Saiten im Klavier im Vergleich zu anderen Saiteninstrumenten eine hohe Spannung haben. Dieses Hineinfühlen in den Stimmstock über den Stimmhammer und den Stimmnagel ist wiederum die Grundlage für die anschließende Entscheidung über die Stimmtonhöhe. Wenn man ein Instrument noch nicht kennt, es also noch nicht komplett gestimmt hat, dann empfiehlt sich sicherheitshalber die Orientierung nach unten. Das Anheben der Tonhöhe würde das Risiko von Saitenabrissen erhöhen. So wurde das Klavier aus unserem Hörbeispiel auf die Tonhöhe von 394 Hertz gestimmt. Diese Tonhöhe war vor circa 300 Jahren in Frankreich üblich, während man zur gleichen Zeit in Deutschland bei 415 Hertz lag. Aus dem tieferen Kammerton und der somit entspannenderen Musik kann man schließen, dass unsere Nachbarn im Westen ein entspanntes Volk sind. Warum das so ist? Das ist ein gute Frage! Die Antwort steckt in dem Fremdwort tonus. Das stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Spannung. In unserem Sprachgebrauch hat es jedoch zweierlei Bedeutung:

  1. Muskeltonus = Spannungszustand eines Muskels.
  2. Ganzton (Musik).

Es besteht also ein Zusammenhang zwischen körperlicher Anspannung und der Tonhöhe der Musik, die wir hören bzw. spielen. Das heißt: Ein höherer Kammerton spannt uns eher an - und umgekehrt fällt uns die erwünschte Entspannung bei einem niedrigeren Kammerton leichter! Wenn Sie also Klavier spielen, um sich zu entspannen, um sich geistig-körperlich zu harmonisieren, um die Konnektivität vor allem der verschiedenen Hirnzentren nach Stress wieder zu synchronisieren, dann empfiehlt sich die Wahl eines tieferen Kammertons. Wenn Sie zum Klavier gerne singen, werden Sie die tiefere Lage freudig begrüßen. Denn nun müssen Sie sich zum einen beim Singen weniger anstrengen und zum anderen bekommt Ihre Stimme ein größeres Volumen, mehr Ausdruckskraft. Auch hier gelingt wieder ein Transfer vom Musikinstrument zum Menschen. Denn beim Klavier ist es genauso, dass der gewölbte Resonanzboden (Bilder) durch die geringere Saitenspannung unter einem schwächeren Druck steht und daher befreiter schwingen kann!

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